Über Hunde und Menschen, unterwegs.

Hunde sind vermutlich die ältesten Haustiere des Menschen. Ich weiß nicht, ob auch andere Menschen, ich meine außer dem H. sapiens, Hunde oder überhaupt Haustiere hatten, zum Beispiel der Neandertaler. Hunde sind klug, auf ‚ihren’ Menschen fokussiert, zuverlässig, sie können besondere Dinge, die sich mit den Fähigkeiten des Menschen sehr gut ergänzen. Heute, in unserer Welt, sind Hunde zumeist Begleiter von Menschen, denen der rückhaltlose Zuspruch der Tieren gut tut. Besser tut als manchmal ein Mensch gut tun könnte. Den Hunden zuliebe geht man vor die Tür, trifft andere Hundebesitzer, kommt an die frische Luft, bewegt sich, kommt ins Gespräch. Vermutlich gehen viel weniger Eltern mit ihren Kindern an der frischen Luft spazieren (von Kinderwagen-Kindern einmal abgesehen) als Leute mit ihren Hunden.

Soweit, so gut. Hier geht es mir um die Beziehung zwischen Mensch mit Hund auf der einen Seite und Mensch ohne Hund auf der anderen Seite. Ich erlebe es überwiegend aus der Sicht eines Fahrradfahrers.

Zur Einstimmung etwas Anekdotisches. Wenn der kombinierte Fußgänger- und Fahrradweg zwischen den Büschen links und dem ICE-Schallschutzwall rechts nicht so gut beleuchtet ist, im November, abends um sechs, bei leichtem Nieselregen, dann kann eine quer über den Weg gestreckte Hundeleine schon eine Falle sein. Gerade wenn der Hund hinter einem Busch nicht zu sehen ist. Man sieht von hinten einen Menschen auf der einen Seite des Wegs und denkt sich, okay, daran kann ich gut vorbei fahren. Aber denkste, eine Vollbremsung ist angesagt, und dazu noch die Beschimpfungskaskade dieses erschrockenen Menschen, von der Reaktion des Hundes ganz zu schweigen.

Man hätte ja klingeln können. Das aber ist so eine Sache. Das Klingeln führt manchmal zu sehr positiven Resultaten. Man hört „Danke schön“ und „Danke, dass Sie klingeln“. Das kommt vor. Das Klingeln aber, gerade wenn der Mensch in dieselbe Richtung geht wir man fährt, wenn man also von hinten heranfährt, führt auch dazu, dass manchmal der liebe Zeitgenosse erschrickt. Gerade ältere Genossen neigen dazu. Teils auch deshalb, weil sie das erste Klingeln nicht hören – das Gehör lässt nach. Und das zweite oder dritte Klingeln ist dann schon sehr in ihrer Nähe – Schreck! Und darauf die Reaktion dann: Beschimpfung! Das sei kein Fahrradweg, und ‚Können Sie nicht vorsichtiger fahren’, und einmal hat mir so ein betagter Zeitgenosse nachgerufen: Mörder, Verbrecher, elendiger Verbrecher. Wenn man nun nicht klingelt, klar, dann hört man: Wie wär’s mit Klingeln! Es sind – wenn man immer wieder dieselbe Strecke fährt – auch schon dieselben Leute gewesen, die an einem Tag vor der Klingel erschrecken und deswegen schimpfen und am andern Tag schimpfen, weil man nicht geklingelt hat.

Manchmal hört der Mensch die Klingel rechtzeitig. Dann wäre ja Zeit, die Sache mit der über den Weg gespannten Leine zu lösen, bevor ich als Radfahrer die Stelle passieren möchte. Ja, dann ruft der Mensch den Hund zu sich und beschäftigt sich mit der Aufroll-Automatik der Hundeleine. Ach Herrje. Weder kommt der Hund zu dem Mensch, noch klappt das mit dem Leine-Aufrollen. Ich komme mit dem Alter zur Auffassung, dass manche Hunde klüger als ihr Mensch sind. Kann nicht der Mensch zu seinem Hund gehen statt umgekehrt? Der Mensch ist doch klüger, kann sachgemäß reagieren! Der Mensch kann den Weg überqueren und dann, in dem Moment, in dem man vorbeifährt, auf derselben Seite stehen wie der Hund – womöglich sogar den Hund am Halsband kurz festhalten! Anstatt vergeblich den Hund zu sich zu rufen. Ich brauche doch keine Demonstration, dass der Hund sonst immer aufs Wort hört nur jetzt gerade nicht; ich will nur ohne weitere Hinderung pannenfrei vorbeifahren.

Das hier trifft auch ohne die Leine zu. Den Hund zu sich zu rufen, so dass der Hund in dem Moment, in dem man vorbeifahren möchte, gerade quer zu Fahrtrichtung mittig auf dem Fahrweg trödelt, auch das ist nicht der wahre Jakob.

Hunde haben nicht nur mit Fahrradfahrern zu tun. Junge, verspielte Hunde springen gerne mit verdreckten Pfoten an der Nachbarin oder dem Nachbarn hoch und hinterlassen Spuren auf deren Kleidung. Hunde pinkeln gerne gegen Autos, Fahrräder, Büsche und so weiter - auch wenn das keine öffentliche, sondern private Sachen sind. Bei uns kenne ich mehr als fünf Obstbäume auf öffentlicher Fläche, die von Hunden totgepinkelt wurden. Private tote Buchsbüsche kenne ich auch. An einer pinkelstrategisch günstigen Stelle hat die Stadt dreimal, im Verlauf mehrere Jahre, immer wieder ein Bäumchen nachgepflanzt, aber es starb jeweils im Jahr danach am Hunde-Urin. Ich habe dann vor Jahren des Nachts heimlich eine kleine Elsbeere an die Stelle hingepflanzt und den Stamm die unteren etwa 80cm mit Bambusstäben und Lappen umgeben, als Schutz vor dem Hunde-Urin; das Bäumchen wächst nun gesund vor sich hin.

Hund kacken auch auf die Straße und in die Vorgärten der Nachbarn oder auch ganz fremder Leute.

Wenn man kurz nachdenkt, dann kommt man drauf, wann der Durchschnittsmensch am aggressivsten auf Kritik reagiert. Wohl dann, wenn der Mensch sowieso schon weiß, dass er selbst im Unrecht ist und der Widerpart recht hat, wenn der Mensch also gar keine Argument zu seinen Gunsten hat (außer so etwas wie Faulheit und Rücksichtslosigkeit, das sind aber eben keine gesellschaftsfähigen Argumente). Dann bleibt nur noch: laut sein, unsachlich sein. Und das bekommt man folglich zu hören, wenn man sich gegen Hundekacke und Hunde-Urin verwahren möchte: Unsachliches, Lautes.

Es gibt sogar Mensch, die vor Hunden Angst haben. Also im Sinne von übertriebener, unnötiger, unangemessener Angst. Diese Angst ist natürlich eine Last für den Betroffenen. Ich frage mich, wer eigentlich die Pflicht hat, den Hund davon abzuhalten, an der falschen Stelle zu pinkeln, zu kacken, mit den Pfoten anderer Leute Kleider zu beschmutzen, oder durch die blanke Nähe und Anwesenheit eine Angstattacke auszulösen. Über nervtötendes Verbellen oder gar Beißen haben wir noch gar nicht gesprochen. Wer hat dazu die Pflicht? Jetzt mal im Ernst gefragt.

Wir haben nicht alle einen Führerschein, es gibt keine Pflicht, einen Führerschein zu haben. Aber ich bin relativ sicher, es gibt Kollisionen zwischen führerscheinlosen Menschen und dem Straßenverkehr, bei denen dem führerscheinlosen Mensch wegen falschen Verhaltens im Straßenverkehr ein Teil oder die ganze Schuld an einem Unfall zugesprochen wird. Ich denke, wir alle haben, zumindest als Erwachsene, normalerweise die Pflicht, uns sinnvoll und sachgemäß im Straßenverkehr zu verhalten. Ich glaube nicht, dass man so argumentieren kann: „Ich habe keinen Führerschein, ich fahre weder Bus noch Taxi, ich gehe immer zu Fuß, der ganze Straßenverkehr betrifft mit nicht, deswegen möchte ich, dass alle Straßenverkehrsteilnehmer die Verantwortung tragen, wenn meine Unkenntnis und mein Unwille dem Straßenverkehr gegenüber zu Problemen führt“. Ich glaube, das geht nicht.

Aber, wie ist das mit Hunden? Sind Hunde ein so allgemeines Phänomen wie der Straßenverkehr? Hat man als Mensch ohne Hund die Pflicht, ein Mindest-Verhalten gegenüber Hunden zu erlernen, trägt man, wenn man nichts von Hunden versteht, eine Mitschuld an Konflikten oder Belästigungen (möglicherweise nur gefühlten Belästigungen) durch Hunde?

Ich bin nicht sicher, aber ich denke: nein. Ich neige dazu zu denken, dass die Hundehalter allein die Pflicht haben, ihre Umgebung und die Menschen ihrer Umgebung von allen unangenehmen oder widerwärtigen oder gefährlichen Wirkungen, die tatsächlich oder subjektiv von ihrem Hund ausgehen, frei zu halten.




Am Rande: Ich kennen keine empfehlenswerte, schlagkräftige, witzige, wirksame Entgegnung, wenn der Mensch mit Hund sagt: „Der beisst nicht, der will nur spielen“ und ein Mensch in einer konkreten Lage von jeglichem Hunde-Stalking frei gehalten werden möchte. Im Sinne von „Das ist ein freies Land, hier herrscht kein Hunde-Kennenlern-Zwang“. Aber treffender, kürzer, knackiger, härter.

Und ganz am Rande: Ich selbst habe eine vermutlich normale Haltung zu Hunden, keine ungewöhnliche Abneigung. Ich kraule gerne einem Hund das Fell (oder auch gerne einer Katze). Ich erlebe aber das oben Beschriebene, und frage mich, ob ich falsch liege oder ob ich einem Denk- oder Spürfehler aufsitze.