Das Schnorren und seine Folgen

Es gibt Leute, die zum Beispiel in einem Sportverein bei Aerobic mittun, aber nicht in den Verein eintreten, also nicht die monatlichen Vereinsgebühren bezahlen.

 

Die Zuschüsse, die ein solcher Verein von öffentlichen Kassen bekommt, hängen auch von der Anzahl Mitglieder ab – ein Grund dafür, Mitglied zu werden statt die Aerobic-Stunden zu schnorren. Gegen die Kosten eines Sportunfalls (man selbst oder der Mit-Turner) ist man eher versichert, wenn man Vereinsmitglied ist – ein Grund dafür, Mitglied zu werden statt die Aerobic-Stunden zu schnorren.

 

Wenn z.B. die Hälfte der Mit-Turner nichts bezahlt, dann muss logischerweise die Vereinsgebühr für die zahlenden Mitglieder doppelt so hoch sein wie sie sonst sein müsste, wenn nämlich die andere Hälfte auch bezahlen würde. Also, was ist das nun? Ja, das ist Diebstahl. Wer die Aerobic-Stunde schnorrt bewirkt, dass die anderen mehr als eigentlich nötig bezahlen, also bestiehlt der Schnorrer die anderen. Schnorren ist also zu freundlich ausgedrückt.

 

Wie ist das mit denjenigen, die in einer anderen Solidargemeinschaft ihren Pflichten nicht nachkommen? Wie ist das mit den Impf-Verweigerern oder den Koma-Säufern und ihrer Beziehung zu den anderen Mitgliedern ihrer Krankenkasse? Könnten die Krankenkassenbeiträge nicht gesenkt (bzw. die Leistungen verbessert) werden, wenn die Masern-, Mumps-, Röteln-Fälle durch höhere Impfquoten seltener wären; oder die alkoholbedingten Krankheits- und Unfallkosten niedriger wären? Hier bestehlen die Verweigerer und Säufer die anderen nicht dadurch, dass sie nicht bezahlen, sondern durch ihr Verhalten. Das gilt auch dann für meine Nichte, die als junge Frau in jeder Kälte nierenfrei (mit nackter Haut) herumlief, nämlich falls dieses Verhalten später zu Nierenkrankheit führen sollte. Aber es besteht in  dem Fall ja die Hoffnung, dass es nicht so kommt. Die unter meinen vielen Nichten, die sich hier angesprochen fühlt, die ist natürlich nicht gemeint, sondern eine der anderen :-)

Wie ist das im Straßenverkehr? Gibt es Verhaltensweisen, die in der Konsequenz bei den anderen Beteiligten zu einem Verlust führen, zum Beispiel zum Verlust des Lebens? Das mag wohl sein, und auch hier hat es nichts direkt mit Geld zu tun. Der Fahrer mag wohl seine KFZ-Steuer und die Kraftstoff-Steuer bezahlt haben. Durch Alkohol am Steuer kann man aber wohl einem anderen Menschen das Leben stehlen.

 

Und sonst? Was ist die größte Solidargemeinschaft, jedenfalls die größte, die ich mir denken kann? Na, das ist die Menschheit mit den vorangegangenen und nachkommenden Generationen von Menschen. Gibt es hier Verhaltensweisen, Schnorrer und falsches Verhalten, das zu Verlusten bei den anderen führt?

Wenn wir akzeptieren, dass das Ende und Tabu der Sklaverei das Ergebnis langer gesellschaftlicher und kriegerischer Kämpfe war, also ein teuer bezahlter gesellschaftlicher Wert, und wenn wir den Bruch des Tabus durch Wirtschaftssklaven (Sklaverei beim Abbau von Coltan im Kongo, Sklaverei bei der Prostitution auf der ganzen Welt, etc.; www.globalslaveryindex.org) mittragen indem wir Computer und entsprechende Güter und Dienstleistungen kaufen; wenn wir das also tun, bestehlen wir dann die Kämpfer für Rassengleichheit in Amerika und sonst auf der Welt um den Wert ihres Kampfes, manchmal auch ihres Opfers, was ja ihr Leben sein konnte?

Wenn das reichsdeutsche Wahlvolk im Jahr 1933 durch sein Wahlverhalten die Nationalsozialisten an die Macht gebracht hat, hat das dann etwa nicht in der Konsequenz Millionen Menschen das Leben gekostet? Gibt es also ein Verhalten, das in der Folge wie Diebstahl ist?

Wenn wir heute die Lebenschancen nachfolgender Menschengenerationen beschneiden, durch Verbrauch von Rohstoffen, durch Belastung der Umwelt mit Gift und radioaktiver Strahlung, und durch lasche Haltung gegenüber Demokratiefeinden und Duldsamkeit gegenüber den Feinden der Aufklärung, bedenken wir dann, dass dadurch Menschen in Gegenwart und Zukunft verlieren, Würde, Güter, Gesundheit, Leben, also bestohlen werden?

Und nun aber umgekehrt, wenn wir streng sind, streng gegen Schnorrer und gegen falsches Verhalten, also hart mit Strafen und Kontrollen vorgehen, was ist dann? Wie hätten wir durch Strenge das Wahlverhalten 1933 verbessern können? Und, mit Strenge und konsequentem Sanktionieren, stehlen wir dann den Leuten Freiheit, Spaß, Lebenslust? Vermutlich ist das so. Aber vermutlich sollten trotzdem einerseits durch Strenge und Kontrolle das Eigentum, besonders der Besitz und Erhalt von geistiger und körperlicher Gesundheit, Leib und Leben, stark geschützt werden, andererseits sollte aber die Strenge und Kontrolle Ausnahmen haben.

Der private Bereich muss privat und geschützt sein. Geschützt vor Kontrolle, vor Reglementierung, vor Sanktionierung von Verhalten. Hier sehe ich eigentlich nur eine Ausnahme, und das sind Kinder, die im privaten Bereich aufwachsen. Obwohl der private Bereich sehr privat und sehr beschützt sein muss dürfen wir es doch nicht dulden, dass in diesem Bereich jemand die geistige und körperliche Gesundheit, Leib und Leben der Kinder schädigt. Einen Teil zu diesem Ziel würde eine verpflichtende, öffentliche, stark kontrollierte und gut finanzierte Ganztagsschule beitragen. Schuluniform, ganztags, und streng laizistisch, und von starken Instanzen kontrolliert. Mit sehr guter Ausbildung, vom Kindergärtner bis zur Universitätslehrerin, mit hohem Gehalt und starken Sanktionen bei Fehlverhalten der Lehrer.

Was außer dem Privaten muss noch von starken Regeln und Kontrollen ausgenommen werden? Kindern und Jugendlichen muss man sicher mit einer Dosis Milde begegnen, zumindest bei den ersten zwei oder drei Regelverletzungen. Schwachen Personen, also Alten, Armen, Kranken muss man milder begegnen als starken Personen. Aber diese Ausnahmen sollten vermutlich nur schwache Ausnahmen sein, ich sehe nur den Schutz des Privaten als starke Ausnahme.

Manches ist so wie ich es hier als wünschenswert beschreibe; aber einiges auch nicht, kann es aber noch werden. Alsdann.